Nur, weil etwas neu ist, ist es nicht gleich gut. Auf der anderen Seite nimmt die Skepsis oft überhand, wenn es für alle Seiten lohnender wäre, technische Innovation zu wagen. Dr.-Ing. Daniel Gogolin begleitet Innovationsprozesse im Asphaltstraßenbau – als Geschäftsführer der Ingenieurgesellschaft PTM Dortmund mbH und als Leiter der Ad-hoc-Gruppe 7.03 Innovationen bei der FGSV. Wir haben mit ihm gesprochen.
asphalt: In dieser Ausgabe (auf Seite 20) beschreiben Sie ein Pilotprojekt für die wässrige Polymerdispersion Butonal MB 5126 von BASF Asphalt Performance. In Ihrem Artikel beschreiben Sie „Mut“ und „Risiko“ als Pole, zwischen denen sich Innovation bewegt. Können Sie das noch näher ausführen?
Einerseits bin ich der Meinung, dass Innovation stellenweise wirklich zu langsam vorangeht, aber wir wollen ja auch einen sicheren Weg gehen. Probestrecken sind dazu da, etwas auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln. Sich etwas zu trauen, wird mit Wissensgewinn belohnt und den brauchen wir. Aber der Weg von der Probestrecke hin zum flächendeckenden Einbau braucht seine Zeit, und das ist auch richtig so. Wir haben eine Verantwortung dafür, dass unsere Straßen, die wir heute bauen, auch in zehn Jahren noch halten. Diese Sicherheit brauchen die ausschreibenden Stellen und letztlich wir alle, denn Straßen werden mit Steuergeld gebaut. Innovation muss abgesichert werden.
Wie habe ich mir das vorzustellen, dass Innovation einerseits erleichtert wird und andererseits „abgesichert“?
Mit der Pilotproduktliste TA der BASt ist ja jetzt schon ein leichter Zugang geschaffen, seine Produkte in die Erprobung zu bekommen. Dass dann für die Aufnahme in die Erfahrungssammlung über die Verwendung von Fertigprodukten und Zusätzen zur Temperaturabsenkung von Asphalt positive Erfahrungen über einen Beobachtungszeitraum von mindestens fünf Jahren nötig sind, finde ich richtig.
In Dortmund an der Bornstraße haben wir als Ingenieurgesellschaft PTM deshalb auf der Baustelle Dauermessstellen eingerichtet. Eine erste Nullmessung zum Vergleich haben wir bereits gemacht, zum Beispiel die Längs- und Querebenheit, Texturmessung und Griffigkeit. Auch unsere Bohrkerne für die Kontrolluntersuchung im Labor und die Mischgut-Proben beim Einbau haben wir an diesen Stellen genommen.
Sich etwas zu trauen, wird mit Wissensgewinn belohnt und den brauchen wir. Aber der Weg von der Probestrecke hin zum flächendeckenden Einbau braucht seine Zeit, und das ist auch richtig so.
Wir wissen jetzt alles, was wir im Moment wissen können, und werden Jahr für Jahr in den nächsten sechs Jahren weitermessen. Am Ende werden wir auch noch einmal Bohrkerne ziehen, um ingenieurtechnisch und wissenschaftlich die Erfahrungswerte über eine bestimmte Nutzungsdauer belegen zu können.
Wie bewerten Sie aus Ihrer Berufspraxis als Prüfingenieur, der viele Baustellen sieht, den Fortschritt bei der Einführung der Temperaturabsenkung?
Das hängt davon ab, wohin man schaut. Bei den Asphaltmischwerken denke ich, dass alle – vor allem die DAV-Mitglieder – gut informiert sind und sich bereits auf den Weg gemacht haben, Dinge auszuprobieren und Asphaltmischanlagen umzurüsten. Wenn wir auf die Baustellen schauen, dann sind gerade große Konzerne schon sehr weit. Straßen.NRW hat für dieses Jahr 38 Strecken mit Temperaturabsenkung angekündigt. Den Zuschlag bekommen in der Regel nicht gerade die kleinsten Firmen. Wenn wir in die Kommunen schauen, wo mittelständische und kleine Unternehmen bauen, sehen wir ein anderes Bild: Längst nicht alle dieser Unternehmen haben sich schon eingehend mit dem temperaturabgesenkten Asphalteinbau befasst. Das liegt nicht allein an den Baufirmen, sondern auch an den ausschreibenden Stellen. Es gibt Kommunen wie Münster, Hamm und Dortmund, die Vorreiter sind. Vielen kleineren Kommunen fehlt hingegen schlicht das Personal. Im Gegensatz zu einer Großstadt wie Dortmund können kleine Kommunen nicht so ein-fach Fachleute abstellen, die in der Gremienarbeit der FGSV mitarbeiten oder Informationsveranstaltungen des DAV besuchen. Wenn ein oder zwei Mitarbeiter für den Friedhof, den Straßenbau und wer weiß für was noch zuständig sind, wer will den Leuten da bitte einen Vorwurf machen?
Wie wurde Ihrer Ansicht nach die Fristverlängerung für den Arbeitsplatzgrenzwert für Dämpfe und Aerosole aus Bitumen wahrgenommen?
Der DAV hat ja schon klargestellt, dass dieser Aufschub nur die Frist Arbeitsplatzgrenzwert betrifft und nicht die Einführung der Temperaturabsenkung. Das kann man, glaube ich, nicht oft genug sagen: Liebe Leute, die Temperaturabsenkung kommt als neue Standardbauweise – jetzt und nicht erst in zwei Jahren.
Ich glaube, dass wir wirklich auf einem sehr guten Weg sind. Aber es fehlen uns immer noch Erfahrungen – und nicht einmal so sehr bei der Temperaturabsenkung an sich. Die Fragen, die noch offen sind, betreffen eher die Prozesse in der Asphaltherstellung und im Einbau: Wie holen wir, wenn es Alltag wird, das Beste aus diesen neuen Technologien raus? Wie gehen wir damit um? Wir haben jetzt die Zeit, zu optimieren. Um diese Dinge zu klären und die neuen Regelwerke, die kommen, mit Leben zu füllen, können die zwei Jahre sehr hilfreich sein, wenn man sie richtig nutzt.
Es gibt auch kritische Stimmen, die in der Fristverlängerung eine Folge von zu wenig Tempo bei der Innovation in Deutschland sehen. Wie betrachten Sie das?
Wir haben als Asphaltbranche im Moment so viele Themen auf dem Tisch, bei denen es um Veränderung geht: Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, CO₂-Einsparung. Die Temperaturabsenkung ist durch den Arbeitsschutz in den Fokus gerückt, spielt aber in die anderen Bereiche mit hinein. Das heißt: Wir haben einen großen Druck, innovativ zu sein. Und ich wüsste auch niemanden, der das nicht sein wollte.
Das ist der Drahtseilakt, den wir im Moment vollführen: Wir müssen innovativ sein, wir möchten auch vorankommen, aber am Ende des Tages müssen unsere Straßen halten.
Auf der anderen Seite haben wir in Deutschland viele Vorschriften, die im Detail hier und da zu weit gehen. Doch wir haben sie nicht ohne Grund. Und als Asphaltbranche sind wir eine konservative Branche im ganz positiven Sinn: Wir wollen, dass unsere Straßen dauerhaft sind. Das Nachhaltigste, was wir machen können, ist eine Straße, die so lange wie möglich hält. Das ist der Drahtseilakt, den wir im Moment vollführen: Wir müssen innovativ sein, wir möchten auch vorankommen, aber am Ende des Tages müssen unsere Straßen halten.
Zwischen Mut und Risikoabwägung, zwischen Schnelligkeit und Sicherheit – wie lässt sich der Drahtseilakt Innovation bewerkstelligen?
Ich glaube, das geht mit einem objektiven Blick und transparenter Information. Mit der Ad-hoc-Gruppe 7.03, die ich leite, verfolgt die FGSV das Ziel, Innovationen im Asphaltstraßenbau von Anfang an in ein objektives Bewertungssystem einzubinden. Wir denken an eine Skala mit einheitlichen Stufen, beginnend bei der Produktidee, das wäre Stufe null, über erste Laborergebnisse, das wäre Stufe eins, und so weiter. Mit einer solchen Skala lässt sich etwa festlegen, ab welcher Stufe ein Produkt zur Erprobung kommt. Erfahrungen aus anderen Ländern sollten sich übertragen lassen, damit internationale Unternehmen in Deutschland nicht wie-der bei null anfangen müssen. Als ein Fernziel könnte das System direkt an die Regelwerke der FGSV gekoppelt sein, sodass ab einer bestimmten Stufe die Informationen zu den Produkten automatisch in Erfahrungssammlungen veröffentlicht werden. Es geht darum, von Anfang an Vergleichbarkeit und Sicherheit zu schaffen und die Informationen für die aus-schreibenden Stellen verfügbar zu machen. Ich glaube, das innovative Produkte mit einem solchen transparenten Verfahren schneller in den Markt gelangen, als das heute der Fall ist.
Vielen Dank für das Gespräch.

Dr.-Ing. Daniel Gogolin, Geschäftsführer der Ingenieurgesellschaft PTM Dortmund GmbH (Quelle: PTM GmbH)