Asphaltseminar 2024

Das Asphaltseminar 2024 des Deutschen Asphaltverbands (DAV) und des Deutschen Asphaltinstituts (DAI) in Willingen hat 350 Praktiker aus der Asphaltindustrie nach Willingen gelockt. Die Mitglieder von DAV und DAI trafen sich drei Tage lang im Sauerland Stern Hotel, um sich neue Impulse aus vielen Fachvorträgen zu holen, sich zu vernetzen und Wissen auszutauschen.

Ein klarer Schwerpunkt des Asphaltseminars lag auf dem Thema Temperaturabsenkung. Die Transformation der Asphaltbranche ist in vollem Gang und Temperaturabgesenkte Asphalte sind relevant für den Arbeitsschutz sowie für die Energie- und CO2-Einsparung und damit für die Einführung von Nachhaltigkeitskriterien in der Ausschreibung von Straßenbauprojekten.

Dipl.-Ing. Marc Wählen vom Bauindustrieverband NRW e.V. sprach über aktuelle Entwicklungen betreffend den Arbeitsplatzgrenzwert für Dämpfe und Aerosole bei der Heißverarbeitung von Bitumen. Die Temperaturabsenkung ist ein wichtiger Baustein, diesen Arbeitsschutz-Grenzwert zuverlässig einzuhalten.

Erfolge bei Expositionswerten

Wählen hob die Vielzahl positiver Erfahrungen hervor, die als Ergebnisse von Erprobungsstrecken mit innovativen Bauweisen vorliegen. „Die FGSV arbeitet im Moment daran, wie man innovative Produkte noch schneller in die Zulassung und auf die Straße bekommt“, sagte Wählen. „Die Auftraggeber haben das berechtigte Interesse, Sicherheit zu schaffen und daher Erfahrungen abzuwarten, aber wir haben natürlich keine weiteren sieben oder acht Jahre Zeit, die Strecken, die bereits gebaut wurden, weiter zu betrachten.“

Mit Blick auf die Expositionswerte an den Arbeitsplätzen im Asphaltstraßenbau sehe er deutliche Fortschritte: „Beim Walzenfahrer liegen wir im Bereich des Arbeitsplatzgrenzwertes, beim Fertigerfahrer und beim Bohlengänger liegen wir leider noch nicht zielsicher in diesem Bereich; da müssen wir uns noch verbessern.“ Beim Gussasphalt lasse sich bei der Arbeit mit Fernsteuerung sowohl für den Zapfer als auch für den Bohlenführer der AGW weitgehend einhalten.

AGW: KoA-Bit beantragt Fristverlängerung

Die Asphaltindustrie zeige aus Sicht von Arbeitsschützern ein sehr hohes Engagement – auch mit der Einführung der Temperaturabsenkung als neuer Standardbauweise ab 2025, sagte Wählen. Ein wichtiger weiterer Baustein sind technische Lösungen bei den Baumaschinen, vor allem Absaugvorrichtungen an Asphaltfertigern. Marc Wählen beschrieb: „Die Maschinenindustrie hat die Herausforderung erkannt und entwickelt eine zweite Generation dieser Technologie für Asphaltfertiger.“ Tests mit Prototypen laufen bereits.

Vor dem Hintergrund der bestehenden Fortschritte bei zugleich weiterem Handlungsbedarf versicherte Wählen: „Wir werden als KoA-Bit für den Walzasphalt eine Verlängerung der Aussetzfrist für den AGW beantragen.“

TA Asphalte: „Wir müssen nachjustieren“

Sebastian Miesem von der FAME TC GmbH schilderte, welche offenen Fragen auf dem Weg zur neuen temperaturabgesenkten Standardbauweise noch bestehen. Neben dem neuen Regelwerk, das bereits in Arbeit sei, brauche es auch einen neuen Standardleistungskatalog, um den Verantwortlichen in Kommunen die entsprechende Ausschreibung von Baumaßnahmen zu erleichtern. Auch für kleine Asphaltarbeiten sei im Zuge der Temperaturabsenkung ein thermo-isolierter Transport sinnvoll. Mit Blick auf die verschiedenen Verfahren der Temperaturabsenkung ergeben sich zudem neue Fragestellungen für Herstellung, Einbau und Laboruntersuchungen. „Wir haben bereits sehr viel geschafft, aber müssen noch an vielen Punkten nachjustieren und viel miteinander sprechen“, resümierte Miesem.

Dipl.-Ing. Stephan Ninnig untermauerte in seinem Vortrag Sebastian Miesems Denkanstöße mit zahlreichen Erfahrungen aus der Praxis an Asphaltmischanlagen und im Asphalteinbau. Ninnig ist für die Asphaltlabore der Juchem-Gruppe verantwortlich, welche bereits 51.000 Tonnen Temperaturabgesenkte Asphalte für Probestrecken ausgeliefert hat. Waldemar Schatz von der BASF Polyurethanes GmbH gab Einblicke in eines der möglichen Verfahren zur Temperaturabsenkung mithilfe chemisch-reaktiver Direktmodifizierung von Asphalt mit dem Produkt B2Last.

Messen und Prüfen

DAV-Präsidiumsmitglied Jörg Martin Rasch erläuterte die Einführung des RAL-Gütesiegels für die Aufbereitung und Lagerung von Ausbauasphalt. Das Siegel steht für Qualitätssicherheit bei der Wiederverwendung von Asphalt. „Anfangs stellte sich mir die Frage, ob wir ein solches Gütesiegel brauchen, denn an allen Asphaltmischanlagen, die ich kenne, wird bereits ein ordentliches Management von Ausbauasphalt betrieben“, eröffnete Rasch seinen Vortrag, um gleich zu ergänzen: „Doch ich habe mich inzwischen eines Besseren belehren lassen.“

Rasch ist inzwischen der zweite Vorsitzende der RAL-Gütegemeinschaft für die Aufbereitung und Lagerung von Ausbauasphalt. Der Grund für seinen Sinneswandel? Immer wieder gebe es Ausschreibungen mit dem Passus „ohne Verwendung von Asphaltgranulat“. Hier gelte es, von Herstellerseite aus Vertrauen bei der Auftraggeberseite zu schaffen, damit die Ausschreibungspraxis künftig dem entspricht, was die Regelwerke zulassen und das Kreislaufwirtschaftsgesetz sogar explizit vorsieht. Rasch stellte die Arbeit der Gütegemeinschaft vor. Auszüge aus seinem Vortrag lesen Sie im Editorial dieser asphalt-Ausgabe auf Seite 3.

Ludger Vienenkötter stellte den Gyrator als Alternative für die Verdichtung von Asphaltproben im Labor vor. Der Gyrator ermöglicht es, Einflüsse von Additiven und Verfahren zur Temperaturabsenkung auf das Verdichtungsverhalten einfacher zu erkennen und nachzuweisen. Damit verspricht das Verfahren einen zusätzlichen Nutzen mit Blick auf die Einführung der Temperaturabsenkung als Standardbauweise. Weitere Informationen zur Gyrator-Verdichtung bei der Untersuchung von Schaumbitumen finden Sie auch online im Schlussbericht zum IGF-Vorhaben Nr. 21769 N des Deutschen Asphaltinstituts: https://t1p.de/Schaumbitumen.

Dr.-Ing. Michael Gehrke stellte die Möglichkeit vor, mittels eines modifizierten leichten Fallgewichtsgerätes die Verformungsbeständigkeit einer Asphaltdeckschicht zu beurteilen, um nach dem Einbau möglichst schnell eine Freigabe für den Verkehr geben zu können.

Aus der Forschung

  1. Sc. Jens Wetekam stellte das Projekt InQuAs (Uni Kassel/TU Clausthal) vor, das sich die Erhöhung der Wiederverwendung durch Bestimmung der Asphaltgranulat-Eigenschaften in Echtzeit zum Ziel gesetzt hat und zudem zu einer erheblichen Reduzierung der Exposition durch Lösemitteldämpfe beitragen soll. In seinem Vortrag ging er auf die Untersuchung granularer Masseströme mittels Geoscanner ein, die sich auch auf den Asphaltmischprozess anwenden lässt. „Im Management und in der Zugabe von Asphaltgranulat könnte uns die Messtechnologie mittels Geoscanner in Zukunft sehr helfen“, sagte Wetekam.
  2. Sc. Panujan Naguleswaran von der Bergischen Universität Wuppertal präsentierte das Forschungsvorhaben „Untersuchungen zum Einfluss des nachhaltigen und gesteinsschonenden Aufbereitungsverfahrens von Asphaltgranulat auf die Wirtschaftlichkeit von Asphaltflächenbefestigungen“. Es untersucht technische Maßnahmen zur Steigerung der Wiederverwendungsrate unter Verwendung einer innovativen Aufbereitungsmethode der Asphaltgranulate mittels Rotorschleuderbrecher. Die Aufspaltung von Ausbauasphalten in eine bindemittelreiche Feinkornfraktion und in eine bindemittelarme Grobkornfraktion ermöglicht bei Verwendung eines Rotorschleuderbrechers eine gesteinskörnungsschonende Aufbereitung im Vergleich zur Standardmethode „Brechen und Granulieren“. (Einen ersten Bericht aus dem laufenden Projekt lesen Sie in der asphalt-Ausgabe 8-23 ab Seite 18.)

Professor Alexander Buttgereit von der Jade Hochschule in Oldenburg stellte den Radwege-Asphalt vor, den eine Studierende seiner Hochschule im Rahmen ihrer Masterarbeit im Labor der Ingenieurgesellschaft PTM in Dortmund entwickelt hat. Über eine Teststrecke berichtete asphalt in Ausgabe 8-23 (Seite 40). Weitere Forschungsarbeiten der Hochschule mit dem Ziel, die Eigenschaften von Asphaltdeckschichten an den Bedarf von Radfahrern anzupassen, wird die Zeitschrift asphalt begleiten.

Aus den Ländern

 Oberbaurätin Vera Schmidt stellte die ETV-StB BW TA vor, die als Übergangsregelwerk den regulären Einbau Temperaturabgesenkter Asphalte in Baden-Württemberg erleichtern, bis die neuen ZTV und TL Asphalt-StB eingeführt sind. Für Asphalttragschichten ist die Temperaturabsenkung den Auftragnehmern generell freigestellt. Bei Binder-und Deckschichten ist sie nach Rücksprache mit dem jeweiligen Regierungspräsidium möglich.

Björn Beutinger von der NL Südwest der Autobahn GmbH des Bundes stellte alternative Vergabekriterien vor, die übergangsweise gelten, bis bundeseinheitliche Regelungen zur Erstellung von EPDs vorliegen, die der DAV in der Entstehung federführend begleitet. Dipl.-Ing. Detlef Stein vom Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr referierte zu den Erfahrungen mit Hochverdichtungsasphalt (HVA) als alternativem Einbaukonzept für für dauerhafte Straßen.

Aus den Unternehmen

Robin Strohäker von DAV-Neumitglied PAVE+ GmbH erläuterte in seinem Vortrag, wie sich Straßenbauprojekte besonders effizient planen lassen, wenn Maschinen inklusive des geschulten Personals angemietet werden. Vorteile sind die sofortige Einsatzbereitschaft, ohne Zeit für Rekrutierung und Schulung eigener Mitarbeiter zu verlieren. Denn Fachkenntnisse und Erfahrung für spezielle Ausrüstung sind bereits vorhanden. Für jedes Projekt können die notwendigen Maschinen und Geräte mit dem passendenBediener zeitgerecht auf der Baustelle sein.

Die Bau- und Personalplanung ist allerdings nur ein Teil einer Kette von Prozessen im Asphaltstraßenbau. Wie sich von der Asphaltherstellung über den Transport bis zum Asphalteinbau vor Ort die gesamte Prozesskette mit digitalen Tools effizient und ressourcenschonend planen lässt, präsentierte Dr. Thomas Leopoldseder, Geschäftsführer der Q Point GmbH.

Bitumen und Arbeitsschutz

Frank Albrecht präsentierte im Themenblock Bitumen das Biobitumen seines Start-ups B2Square. Es ist ein nicht erdölbasierendes Bitumen. Die Komponenten Asphaltene und Maltene werden im Instant-Verfahren gemischt und im Mischprozess an der Asphaltmischanlage hinzugegeben. Diese kalte Beimischung beider Komponenten verringert die Produktionswärme und ermöglicht so die Herstellung temperaturabgesenkter Asphalte ohne weitere Verfahrensänderungen. Die eingesetzten Maltene aus einem pflanzlichen Rohstoff dienen zudem als CO₂-Speicher, was den CO₂-Fußabdruck erheblich reduziert. (Wir berichteten in asphalt-Ausgabe 6-23 ab Seite 30.)

Jörg Bley von TotalEnergies betrachtete den Transport von Bitumen mit Blick auf die Arbeitssicherheit beim Entladen von Bitumen an der Asphaltmischanlage. Hier hat der Asphaltmischanlagenbetreiber einige Pflichten, darunter die Unterweisung der Tankwagenfahrer in die Entladeeinrichtungen oder die vorschriftsgemäße Bereithaltung von Notfalleinrichtungen, zu denen eine Notfalldusche gehört. Als Anschauungsobjekt präsentierte zudem die Spedition G&Q ihren Safety-Truck für Bitumen, ein speziell ausgestattetes Tankfahrzeug, im Außenbereich der Fachausstellung.

Unternehmenskommunikation

Employer Branding, Storytelling und Sichtbarkeit auf Social Media: Auch Kommunikationsthemen hatten ihren Platz beim Asphaltseminar. Arne Müller von der Kommunikationsagentur K12 gab den Teilnehmern Tipps, wie sich ihre Unternehmen mit authentischen Botschaften als attraktive Arbeitgebermarke präsentieren: Ehrlichkeit gewinnt und Perspektive hält Fachkräfte. Wenige punktgenaue Fragen in einem Online-Bewerbungstool lassen Wechselwillige und potenzielle Quereinsteiger, die nicht aktiv suchen, auf Social Media neue Job-Möglichkeiten entdecken.

Arne H. Schröer von ASK Berlin zeigte auf, was seit den ersten Geschichtenerzählern am Lagerfeuer gute Storys ausmacht, wie sie Aufmerksamkeit ködern, die Zuhörer bei ihren Problemen abholen und unterhaltsam eine Lösung erzählen, die zum guten Ende führt. Der beste Erzähler für eine glaubwürdige Geschichte ist dabei einer, der sie erlebt hat.

Deshalb empfiehlt Jan Stranghöner von der Nerds GmbH aus Köln: „Lasst eure Mitarbeitenden auf Social Media für euch sprechen, echte Gesichter, starke Persönlichkeiten, wahre Geschichten.“ Das Unternehmen begleitet mit Infos und Bildern, um das Erzählen leichter zu machen und den Wiedererkennungswert als Arbeitgebermarke zu steigern.

Neumitglieder und Netzwerk

Die Asphalt-Familie wächst: Die DAV-Geschäftsführer André Täube und Marco Bokies haben beim Asphaltseminar in Willingen die teilnehmenden Neumitglieder des Deutschen Asphaltverbands (DAV) e.V. begrüßt. Wie immer bei Familienfotos bekommt man im Gewusel nicht alle auf ein Bild, aber zumindest alle in ein Album. Für die neuen und alten Mitglieder gab es mit dem neuen Konzept des Eröffnungsabends eine Gelegenheit, sich kennenzulernen, zu fachsimpeln und zu feiern. Der Eröffnungsabend des Asphaltseminars fand zum ersten Mal in der begleitenden Fachausstellung statt. Gemütliche Stimmung, beste Feierlaune und gute Gespräche zwischen den Ständen und dem Büfett – wie könnte ein Tag nach vielen Fachvorträgen besser ausklingen? DAV und DAI danken der Geoplan GmbH und dem Sauerland Stern Hotel für die Organisation und Bewirtung.

350 Mitglieder von DAV und DAI kamen nach Willingen, um sich beim Asphaltseminar 2024 neue Impulse aus vielen Fachvorträgen zu holen. (Quelle: DAV)

Die Vortragenden aus den Ländern (v. l.): Oberbaurätin Vera Schmidt (Verkehrsministerium BaWü), Dipl.-Ing. Marco Schünemann (TPA GmbH, Moderation), Dipl.- Ing. Detlef Stein (TLBV, Erfurt), Björn Beutinger (Die Autobahn GmbH, NL Südwest).

Als Anschauungsobjekt präsentierte die Spedition G&Q ihren Safety-Truck für Bitumen im Außenbereich der Fachausstellung. (Quelle: DAV)